Dieses war der erste Streich, doch der zweite Streich … folgt eben doch nicht sogleich. Mehr als einen Monat hat mich meine fünfte Klasse in freudiger Erwartung zappeln lassen. Weil der erste Streich, der so respektvoll und freundlich war wie es eben nur geht, so niedlich war, bin ich natürlich neugierig was da noch folgen kann. Eine dezente Erinnerung an Max und Moritz und eine Woche später ging es dann tatsächlich weiter mit dem zweiten Streich.
Als ich am Donnerstag ins Klassenzimmer stiefele – pünktlich und mit der täglichen Übung im Gepäck erwartet mich ein nahezu leerer Raum. Die Materialien sind ausgepackt – na gut ein paar Jungs haben es wir natürlich noch nicht geschafft – aber ansonsten ist es still, nicht so wuselig wie sonst. In der Mitte des Klassenraums sitzt nur eine einzige, verlassene Schülerin, die mich schelmisch angrinst. Das hat Stil. Ich packe gemütlich meine sieben Sachen aus und setze mich. Die Schülerin grinst weiter – will der nicht mal fragen? Natürlich frage ich, wo denn alle sind? Weiß sie nicht, wer hätte das gedacht. Ich warte zwei Minuten, danach folge ich den lauten Stimmen und finde meine Klasse zusammengepfercht im schmalen Treppenhaus, keine zwanzig Meter vom Klassenzimmer entfernt.
Wieso haben Sie uns so schnell gefunden? Naja, so ganz leise seid ihr ja nicht gewesen. Hab‘ ich doch gesagt, dass wir zu laut sind.
Alle dackeln fröhlich zurück ins Klassenzimmer, die Jungs packen aus und sind dann bereit für den Unterricht. Dann klingelt es zum Unterrichtsbeginn. Gibt’s doch gar nicht – als hätte sie das so geplant. Haben sie natürlich nicht, denn eigentlich wollten die Schülerinnen und Schüler ungefunden bleiben und zum Stundenklingeln mit einem großen Trara ins Zimmer stolpern. Ich bin aber auch ein Spielverderber. Trotzdem haben sich alle gefreut. Aber warum wünsche ich mir Streiche? Habe ich etwa Lust beim Gang ins Klassenzimmer in die Zahnpasta zu greifen oder Tesafilm unter dem Wasserhahn? Natürlich nicht und ich möchte auch niemanden dazu ermutigen. Aber Kinderstreiche sind wichtig! Die Streiche bieten die Möglichkeit, Grenzen zu testen – nur nicht so radikal wie das Max und Moritz vor 150 Jahren taten (das findet auch die Passauer Neue Presse). Wenn dies in respektvoll und als Gruppe geschieht, ist das umso besser. Die Klasse wächst mit ihren Ritualen und gemeinsamen Erlebnissen, gerade in den ersten Wochen und Monaten der Gruppenfindung. Dazu haben wir sogar schon einen Workshop zur Teambildung während unser Klassenfahrt gemacht – ein echter Erfolg. Der gemeinsame Schabernack, so harmlos er auch ist, schafft Zusammenhalt und ein Gruppenerlebnis. Und kreativ muss der ein oder andere auch gewesen sein. Dabei üben die Kinder, sich selbst zu disziplinieren, damit der Streich gelingt – schließlich sollten alle ruhig sein. Das gelingt bei 25 mitteilungsbedürftigen Individuen naturgemäß nur bedingt. Mal schauen was dem folgt. Natürlich kann man sich fragen, warum ich über derartig über solche banalen Dinge auslasse. Für mich haben diese Dinge ihre kleine aber feine Bedeutung. Ich freue mich jedenfalls auf weitere kleine Episoden mit meiner Klasse und weiß inzwischen: dafür wollte ich Lehrer werden. Viele Berufe gibt es nicht, bei dem man recht intensiv, vertrauensvoll und respektvoll mit so vielen jungen Menschen gleichzeitig zusammen arbeiten kann sie auf ihrem gemeinsamen Weg begleiten kann. In diesem Sinne: dies war nun der zweite Streich, wann folgt doch gleich der dritte Streich?
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