Ich zähle die Tage – noch 8 Unterrichtswochen und mein einjähriges Referendariat könnte beendet sein. Vor genau einem Jahr stand ich vor der Wahl: wo absolviere ich mein Referendariat. Mit meiner günstigen Fächerkombination hatte ich schlussendlich Zusagen für 7 Bundesländer erhalten und mich trotzdem für Sachsen entschieden – die kürzeste Ausbildungszeit kombiniert mit den Aussichten nie verbeamtet zu werden. War ich einfach nur zu doof, gutgläubig oder zu faul zum umziehen? Werde ich Lehrer aus Überzeugung oder gibt es doch gute Gründe? Es sind sicherlich die gleichen Fragen, die sich Jahr für Jahr die Absolventen eines Lehramtsstudiums stellen und die jeder für sich beantwortet, um dann eine Entscheidung zu treffen. Welche Beweggründe dafür gesorgt haben, dass ich im Februar mein Referendariat in Sachsen begonnen habe möchte ich in diesem Beitrag aufzeigen, in der Hoffnung, dass sie dem einen oder anderen bei der Orientierung und Entscheidung behilflich sind.
Welche Gründe gibt es, die für das kurze Referendariat in Sachsen sprechen? Wie ist die Ausbildung strukturiert und welche Prüfungen erwarten den Studienreferendar? Wie steht es um die Einstellungschancen in anderen Bundesländern? Ist nach dem Abschluss eine Verbeamtung möglich? Die wichtigste Frage aber wahrscheinlich die, ob das einjährige Referendariat ausreicht um im Schulalltag zu bestehen und sich Weiterzuentwickeln.
Ich möchte versuchen, diese Fragen so gut es geht zu beantworten.Das gelingt mir natürlich nur aus meiner Sicht und ich kann nur bedingt auf die Dinge eingehen, die Referendare für Grundschulen oder Oberschulen betreffen, auch wenn Sie denselben Eingang in der Ausbildungsstätte bei uns in Dresden benutzen. Meine Aussagen, insbesondere zu den Prüfungen und Seminaren treffen folglich nur für die Gymnasiallehrer-Ausbildung zu.
Schon vor dem Referendariat als Vertretungslehrer erste Erfahrungen sammeln?
Die Chance, als Vertretungslehrer die Zeit bis zum Referendariat zu überbrücken nutzen sicherlich viele. Ich habe mich damals bewusst dagegen entschieden, weil ich ahnte, dass ich mit Beginn des Referendariats oft genug in der Schule sein werde und frisch und motiviert starten wollte. Vertretungslehrer zu sein ist sicherlich nicht der dankbarste Job der Welt und ich wollte nicht herausfinden, wie sich das auf meine Motivation auswirkt. Allerdings habe ich bereits von einigen Kollegen an der eigenen Ausbildungsschule und Mitreferendaren Gutes über das Dasein des Vertretungslehrers gehört. Die meisten haben die Zeit, obwohl sie trotz vieler Stunden und wenig Erfahrung sehr anstrengend sein muss, positiv bewertet. Zu Beginn des Referendariats war die Umstellung vom selbstständigen Unterricht auf Hospitationen und ausschließlich begleiteten Unterricht für sie dann jedoch groß – diesen Wechsel sollte man nicht unterschätzen!
Ist das einjährige Referendariat wirklich so unbeliebt?
Das einjährige Referendariat scheint nicht mehr so kritisch und skeptisch beäugt zu werden, wie es häufig scheint. Inzwischen gibt es sogar einige Referendariats-Touristen, die die Ausbildung in Sachsen absolvieren möchten, um danach zurück in ihr Heimat-Buntdesland zu wechseln. Im speziellen sind mir Brandenburger bekannt, die aus Gründen des kurzen Referendariats oder privaten Gründen nach Dresden gekommen sind, ab Februar 2015 aber ihr Exil beenden. Die Betroffenen fühlen sich hier bisher wohl und gut betreut. Sie wurden nicht abgeschreckt und ähnliches sagen auch die Bewerberzahlen, insbesondere für den gymnasialen Ausbildungszweig, die inzwischen jährlich stark ansteigen, was aber auch mit dem Rückgang der Absolventen des Staatsexamens-Studiengangs zusammenhängt.
Ein Jahr – das ist doch viel zu kurz!
Auch wenn die Ausbildungsinhalte von zwei auf ein Jahr verknappt wurden, ist dennoch Zeit für die wesentlichen Inhalte, die im Referendariat benötigt werden. Die Seminare sind praxisbezogen und häufig geht man mit Ideen, Anregungen und Inhalten aus dem Seminar heraus, um sie gleich danach in der Schule auszuprobieren. Das ist natürlich Teil der Ausbildung und so beabsichtigt, macht einem die Unterrichtsplanung aber auch ein Stück leichter. Abhängig von den Seminarleitern bleibt aber trotzdem von Zeit zu Zeit das Gefühl, dass eine Sitzung nicht sehr stark zur eigenen Weiterentwicklung beigetragen hat – das ist genauso wie bei den Zweijährigen und wird überall in Deutschland so sein.
Auf der anderen Seite ist ein Jahr eine verdammt kurze Zeit, um Fehler zu machen und dann aus ihnen zu lernen. Zwar liegt ein Schwerpunkt der Ausbildung zweifelsohne darin, Selbstreflexion zu üben – und an manchen Tagen hat man das Gefühl, vor lauter reflektieren schon selbst zu strahlen – aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Wenn sich gravierende Fehler im Unterrichtsstil einschleichen ist es dringend, die so schnell es geht abzustellen. Das ist natürlich in jeder Ausbildung so, aber bei uns drückt die Zeit noch stärker – und wenn man dann mehrere Baustellen hat, weiß man trotz allen Optimismus nicht, wie man das zügig schaffen soll.
Ein anderer Aspekt ist, dass man nach dem kurzen Referendariat natürlich auch nur zwei Halbjahre mit Vorbereitungen für den Unterricht erarbeitet hat, mit denen man danach in das echte Berufsleben startet. Dauert das Referendariat länger, kann man im Idealfall schon ein gesamtes Schuljahr in einer Klassenstufe zurückgreifen und entlastet sich damit. Das ist sicherlich kein ausschlaggebender Punkt, aber auch nicht von der Hand zu weisen.
Ablauf des einjährigen Referendariats
Ausbildungsschule und Ausbildungsstätte
Aber wie ist denn nun der Ablauf der Ausbildung an der Ausbildungsstätte und an der Ausbildungsschule? Innerhalb einer Schulwoche, bestehend aus vier Tagen an der Ausbildungsschule und einem Tag an der Ausbildungsstätte ist stets zu wenig Zeit. Der Tag müsste 48 Stunden haben – mindestens – dann könnte man die perfekte Unterrichtsvorbereitung abliefern, stundenlang lernen und zusätzlich Fachliteratur und Anregungen aus den tollen Heften der unzähligen Verlage lesen – besser man kann es nicht tun. Die perfekte Stunde gibt es nicht, eine Vor- und Nachbereitung aller Seminare ist kaum möglich und die Welt dreht sich trotzdem. Das ist aber auch gut so, denn man lernt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und unwichtige Dinge einfach nicht zu tun.
Der wöchentliche Zeitaufwand schwankt bei mir zwischen 30 und 70 Arbeitsstunden. Dafür fallen aber leider viel zu oft die angestrebten 3-4 Wochenstunden zur Hospitation fremden Unterrichts aus – da wird zweckoptimiert. Ich schaffe mir Freiräume, treibe weiterhin Sport und am Freitag landet die Schultasche im Arbeitszimmer. Dort finde ich sie erst am Sonntagnachmittag wieder. In den Ferien habe ich aber auch nie das geschafft, was ich mir vorgenommen habe, nämlich vorzuarbeiten. Stattdessen könnte man es regenerieren nennen – oder faulenzen, Spaß haben, Filme schauen. Ein normales Leben scheint im Referendariat zeitweise möglich zu sein und man sollte bei all den Aufgaben seine Freunde und Familie nicht vergessen. Die sind die wichtigste Stütze in dieser Zeit und ohne gute Worte hätte ich manchen Misserfolg nicht so leicht abgehakt.
Abschlussprüfungen
Insgesamt werden im einjährigen Referendariat (Gymnasium) fünf Prüfungen abgelegt. Die erste Prüfung, kurz nach den Herbstferien betrifft das Schulrecht. Die Seminare dazu sind bereits kurz nach den Sommerferien abgeschlossen und es wird in einer Gruppenprüfung die Note ermittelt. Diese Gruppenprüfung ist laut neuer LAPO vom Gesetzgeber vorgeschrieben und wird fair und mit klaren Regeln und Redezeiten umgesetzt.
Im November und Dezember folgen dann die Prüfungslehrproben. Im Fall der Gymnasial-Referendare sind dies zwei Stunden, die bewertet werden. Eine Lehrprobe wird in der Sekundarstufe I in einem Fach erbracht, die zweite Lehrprobe in der Sekundarstufe II im zweiten Fach. Im zweijährigen Referendariat waren es noch vier Prüfungslehrproben, jeweils zwei pro Fach in jeder Sekundarstufe. Die letzten beiden Prüfungen folgen dann im Januar, also kurz vor dem Ende des Referendariats. Dann wird man noch einmal mündlich in der Fachdidaktik der einzelnen Fächer geprüft – bei mir sind das Mathematik und Physik.
Die Gesamtnote wird schließlich aus sechs Teilen gebildet – bei fünf Prüfungen fehlt also noch eine Leistung! Die Beurteilung des Schulleiters ist die letzte Prüfungsleistung, welche die Endnote des Referendariats ausmacht. Diese wird in Rücksprache mit den Mentoren und aufgrund von Hospitationen des Schulleiters im eigenen Unterricht erteilt.
Die Leistungen, die in der Ausbildungsschule erbracht wurden (zwei Lehrproben, Schulleiterbeurteilung) gehen doppelt in die Endnote ein, die restlichen Prüfungen lediglich einfach. Jede Prüfungslehrprobe macht folglich 2/9 (also ca. 22%) der Endnote aus, Schulrecht aber z.B. nur 1/9 (also ca. 11%).
Die Ausbildung im Schulrecht ist genauso gut wie bei längeren Referendariaten einzuschätzen und hängt maßgeblich davon ab, wie intensiv der Schulleiter mit den Referendaren arbeitet. In dieser Hinsicht fühle ich mich auf den Berufsalltag sehr gut vorbereitet.
Burnout schon im Referendariat?
Druck verspürt man in der Prüfungszeit natürlich immer. Ob der auszuhalten ist, kann ich noch nicht abschließend beurteilen, aber da sich die Prüfungsleistungen in der Regel über einen mindesten dreimonatigen Zeitraum erstrecken, wird es wohl gehen. Hinzu kommt, dass bereits seit dem Jahr 2012 Referendare im einjährigen Vorbereitungsdienst ausgebildet werden und ihn zum einen gut überstanden haben und zum anderen erfolgreich in Schulen arbeiten. In meinem Bekanntenkreis sind die Neu-Lehrer zufrieden und in der Lage, im Berufsalltag zu bestehen. Ob langfristig Unterschiede, z.B. in Bezug auf die Lehrergesundheit abhängig von der Dauer des Referendariats feststellbar sein werden, wage ich zu bezweifeln. Im September hat man aber erstmal gemerkt, dass es so langsam um die Wurst geht. In dieser Zeit mussten die Stoffverteilungspläne für den Zeitraum der Lehrproben entstehen und eingereicht werden. Wenn man sich im September mit den Stundeninhalten und -themen im Dezember befassen muss und zusätzlich die Mentoren immer wieder auf die nahenden Prüfungen verweisen, spürt man natürlich den Prüfungsdruck, immerhin möchte man das Referendariat manierlich und mit guten Noten beenden.
Die Anzahl der Hospitationen durch die Ausbildungsleiter ist ebenfalls geringer, keine Lehrbefähigung durch Unterrichtsbesuch zu erwerben. Ab April, also 8 Wochen nach dem Beginn steigt die Stundenanzahl von 6-8 Unterrichtsstunden auf 10-12 Unterrichtsstunden, die nicht mehr von den Mentoren begleitet sein müssen. Nach zwei Monaten hat man also bereits erstmals das Gefühl, auf eigenen Beinen zu stehen und selbstständig zu unterrichten – eigentlich eine tolle Erfahrung!
Ich sehe es nach einem halben Jahr so, dass zwei Jahre für ein Referendariat eine lange Zeit sind – schließlich verdient man auch zwei Jahre lang nicht sehr gut. Ein Jahr ist dagegen eine recht kurze Zeit – aber man verdient bei erfolgreichem Abschluss auch schneller geht. Ob man die goldene Mitte wählt oder sich für das kurze Referendariat in Sachsen entscheidet hängt daher meines Erachtens davon ab, ob man ein optimistischer Mensch ist und bereits etwas Selbstvertrauen in eigene Fähigkeiten mitbringt. Viel ausschlaggebender als all die Rahmenbedingungen der Ausbildung sollte aber sein, dass man dort ist, wo man sich wohlfühlt. Denn man darf nicht vergessen, dass man trotz der Ausbildungszeit ein Leben führt – auch wenn viele Referendare das Gegenteil behaupten.
Fazit: Warum also Sachsen?
Aber warum habe ich mich, trotz aller scheinbaren Widrigkeiten entschieden, dass Referendariat hier zu absolvieren? Immerhin habe ich mich in 9 Bundesländern beworben und überall eine Zusage bekommen, falls ich die Fristen wahren konnte. Bei mir war es eine ganz einfache Sache: ich habe mich hier in Sachsen, in meinem Umfeld, meiner Wohnung und allem was dazu gehört einfach wohl gefühlt. Dieser Rückhalt während des Referendariats war mir wichtiger als Ängste, die mit dem einjährigen Referendariat verbunden sind. Die Wahl zwischen dem einjährigen und zweijährigen Referendariat hatte ich übrigens nicht – durch unsere Schulpraktika blieb uns nur der kurze Vorbereitungsdienst. Die lange Ausbildungsdauer ist den Absolventen des 1. Staatsexamens in Sachsen (auslaufender Studiengang) und Zugängen aus anderen Bundesländern vorbehalten, da diese in der Regel weniger Schulpraktika aufweisen bzw. diese nicht anerkannt sind.
Ein kurzer Faktencheck – die hartnäckigsten Sorgen im Zusammenhang mit dem einjährigen Referendariat
Check 1: Sachsen macht das Referendariat nur so kurz, damit die ausgebildeten Lehrer hierbleiben müssen, weil sie in anderen Bundesländern keine Anstellung finden.
Dem kann man eigentlich ganz klar widersprechen. Denn das würde bedeuten, dass Sachsen bemüht wäre, ausgebildete Lehrkräfte im Land zu behalten. Das ist definitiv nicht der Fall. Der Slogan des SMK: „Lehrer werden in Sachsen aus Überzeugung“ kann hier leicht umgedeutet werden. Aufgrund geringen Finanzmittel und nicht-bedarfsgerechten Ausbildung an den Universitäten (nicht benötigte Fächerkombinationen oder Schulzweige), ist ein Großteil der neuen Gymnasiallehrer ohne Jobaussicht in Sachsen. Stattdessen wurde uns geraten, uns an Förder-, Ober-, oder Grundschulen zu bewerben. Es bleibt das Gefühl, dass insbesondere das Finanzministerium gar keine jungen Lehrer möchte – obwohl sie so dringend gebraucht werden (die Gründe sollten bekannt sein) – dass ich diese Sorge zerstreuen kann. Darüber hinaus bindet unsere Ausbildung Mentoren sogar intensiver und damit teurer als z.B. bei einem 18-monatigen Vorbereitungsdienst. Wir werden weiterhin parallel mit unseren Mentoren geplant, denn diese müssen ja im Februar in der Regel unseren Unterricht erneut übernehmen, ohne dass der Stundenplan der ganzen Schule umgestellt werden muss.
Check 2: Einige Bundesländer fordern bei einem Wechsel eine Übergangsphase oder gar, dass einige Monate das Referendariats nachgeholt werden müssen.
Die Kultusministerin Frau Kurth – heute im Amt bestätigt – hat uns im Dezember letzten Jahres versichert, dass es ein Abkommen der KMK gibt, welches genau dies regelt. Nun haben die Beschlüsse der KMK keine Rechtsgültigkeit, aber sie werden in Länderrecht umgesetzt. Ein Nachholen von Ausbildungsmonaten wird es auf keinen Fall geben. Ob das kürzere Referendariat ein Ablehnungsgrund bei einer Einstellung sein kann, ist nicht auszuschließen aber man wird es nie erfahren, da bei einer Absage keine Gründe genannt werden müssen – sonst wäre jeder Referendar mit einer Rechtsschutzversicherung bewaffnet.
Check 3: Das Referendariat ist in dieser kurzen Zeit nicht zu schaffen!
Doch ist es! Zwei Jahrgänge haben dies bereits bewiesen.
Check 4: Das einjährige Referendariat ermöglicht keine Verbeamtung in anderen Bundesländern!
In Ländern die eine Verbeamtung ermöglichen ist es allerdings denkbar, dass vor einer Verbeamtung eine Probezeit im Angestelltenverhältnis aufgrund des verkürzten Referendariats nötig ist. Das sollte man aber im Einzelfall bei den einzelnen Behörden der Länder und deren Personalreferaten erfragen.
Trotz all dieser, zum Teil positiver Ausführungen zum Vorbereitungsdienst in Sachsen zähle aber auch die Tage bis zum Ende der Ausbildung. Keiner wird verneinen, dass das Referendariat eine stressige und anstrengende Lebensphase darstellt. Mit dem Start in den Beruf wird das sicherlich nicht leichter, aber es gelingt vielleicht, einige Dinge mit weniger Druck und mit mehr Gelassenheit zu erleben. In acht Wochen ist es geschafft und ich kann all diese Gedanken vergessen – und wenn wir mal ehrlich sind, es gibt sicherlich spannendere Themen, mit denen man sich beschäftigen kann.
Bildquelle: GEW Jugend Sachsen
Schreibe einen Kommentar